nordkap impossible

Nordkap Impossible

Auf einen Kaffee zum Rande der Welt, mit Fahrrad, Husky und ohne Geld

 

Von 
Florian Bassfeld

 




EINE ÜBERRASCHUNG FÜR DICH

 

Liebe Leserin, lieber Leser, 

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Dein Florian

 

 

DER 3. TEIL DER LEBENSROCKER CHRONIKEN

Liebe Leserin, lieber Leser, vielen Dank, dass du dich für dieses Buch entschieden hast. Bevor du zu lesen anfängst, noch ein kurzer wichtiger Hinweis: „Nordkap Impossible?“ ist der dritte Teil der LEBENSROCKER-Chroniken. Hier eine Übersicht aller Bücher dieser Reihe:

Buch 1: „Freiheitsdrang: Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens“ (Radtour ohne Geld durch Deutschland 2017)

Buch 2: „Das Husky Abenteuer“ (Radtour mit Husky ohne Geld durch Großbritannien)

Buch 3: „Nordkap: Impossible? Auf einen Kaffee zum Rande der Welt, mit Fahrrad, Husky und ohne Geld.“

Das erste Reisebuch mit dem Titel „Freiheitsdrang“, sowie „Das Husky-Abenteuer“, sind somit die Vorgeschichten zu diesem Abenteuerroman. In den darauffolgenden Büchern werde ich immer mal wieder Bezug auf vorangegangene Reisen nehmen. Damit du ein vollständiges Bild von den Abenteuern erhältst und maximale Spannung erlebst, empfiehlt es sich, die Bücher der Reihe nach durchzulesen, so wie ich sie selbst erleben durfte. Hier findest du alle Bücher von mir:

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Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen!

Dein Florian

 

 

WARUM OHNE GELD ZUM RANDE DER WELT?


Der Preis des Erfolges ist Hingabe, harte Arbeit und unablässiger Einsatz für das, was man erreichen will. 

Frank Lloyd Wright

Die ersten Wochen nach meiner Rückkehr von der Radtour ohne Geld durch Großbritannien fühlten sich fantastisch an. Es war herrlich wieder ein zu Hause bei meiner Mutter zu haben und den Luxus einer täglichen Dusche, eines weichen Bettes und frischer Wäsche genießen zu können. Doch bald folgte der trübe, kalte Winter und die Monate wurden zäh und lang.

Das Fernweh und der Freiheitsdrang steigerten sich von Tag zu Tag. Nicht nur bei mir, sondern auch bei meinem geliebten Husky Rocky. Wir beide waren einfach nicht dafür gemacht, immer am selben Ort zu verweilen. 

Als im Februar 2019, unmittelbar nach der Fertigstellung meines Selbstvertrauen-Buchs, mein Kontostand das dritte Mal innerhalb von 3 Jahren den Nullpunkt erreichte, weil ich alle Ersparnisse in die Veröffentlichung investiert hatte, traf es mich wie ein Schlag ins Gesicht.

Ich fühlte mich am Boden zerstört und kam mir vor wie bei täglich grüßt das Murmeltier. Es schien, als wäre die Zeit stehen geblieben. Als hätte sich nichts zum Positiven verändert. Ein zermürbendes Gefühl nach all den Hürden, die Rocky und ich bereits erfolgreich gemeistert hatten. Mit fast nichts in den Taschen hatten wir 9 Länder bereist.

Ich hatte mir den Traum vom Hund verwirklicht, mich meiner schlimmsten Angst gestellt, nebenbei 3 Bücher geschrieben und war insgesamt 450 Tage auf Radreise gewesen. In den 80ern wäre das eine absolute Sensation gewesen. Wir hingegen schafften es damit nicht einmal ins Fernsehen.

„Tut mir leid, aber eine Radtour ohne Geld durch Großbritannien stelle ich mir nicht so spektakulär vor. Melden Sie sich doch wieder, wenn Sie vom Nordkap kommen“, so die Absage am Telefon. 

Ein Wortschwall von Argumenten schoss mir durch den Kopf. Ich wollte sagen, dass mein letztes Fernseh-Interview von der Deutschland Tour doch super angekommen sei bei den Zuschauern, und wie viele großartige Dinge ich mit meinem Husky erlebt hatte, doch stattdessen verschluckte ich die Worte unausgesprochen in meinem Hals, stotterte: „Alles klar, danke“ und legte auf.

„Was sollen wir denn noch anstellen? Vielleicht zum Mars fliegen?“, fragte ich fassungslos meinen vierbeinigen Freund Rocky. Seelenruhig stand die Fellnase mit seinen treuen braunen Augen neben mir und schaute mich an. 

„Verstehst du nicht? Wir sind nicht spektakulär genug!“, erklärte ich ihm aufgebracht, doch er blieb vollkommen entspannt. Es erweckte fast den Eindruck, als wäre es ihm egal. Ich wünschte, ich hätte seine Gelassenheit gehabt. Es ging mir nie wirklich darum bekannt zu werden; doch den Lebensunterhalt mit meinen Mutmach-Projekten bestreiten zu können, war definitiv ein lang gehegter Traum. 

Für mein Ego war die herbe Niederlage ein gefundenes Fressen, um mich in die Opferrolle zu bugsieren. Mein Gollum[1] krächzte und beschwerte sich pausenlos.

„Das ist ungerecht! Das dürfen sie nicht tun! Unsere Reise war großartig! Mein Schatz! Ja, sie müssen darüber berichten, dürfen es nicht ignorieren.“ Meister Yoda meinte: „Frieden finden du musst. Dinge akzeptieren, die du nicht ändern kannst. Medien selten Platz für Positive-Schlagzeilen haben. Schlechte Nachrichten sich besser verkaufen.“

[1] Meister Yoda aus Star Wars und Gollum aus Herr der Ringe stehen stellvertretend für Engelchen und Teufelchen, die mir ins Ohr flüstern, was ich tun soll. Gollum übernimmt den „bösen“ Part des Egos und Meister Yoda den „guten“ der Seele. In meinem ersten Reisebuch Freiheitsdrang gehe ich näher darauf ein.

Toller Ratschlag, so viel wusste ich auch! Nur eine Woche nachdem ich die Absage vom Fernsehen kassiert hatte, erlitt die Tochter einer guten Freundin leider einen schweren Autounfall und erschien damit sofort in den Regionalnachrichten.

Natürlich war der Unfall schlimm, aber darüber zu berichten, hat es weder ungeschehen gemacht, noch die Welt verbessert. Heute ist die Tochter zum Glück wieder wohlauf. Über dieses Happy End möchte zumindest ich berichten.

Bis mein Ego endlich Ruhe gab, sollte hingegen noch eine ganze Weile vergehen, nämlich bis ich den Film Apollo 13 mit meinem Lieblingsschauspieler Tom Hanks ansah. Dieser handelt von der wahren Geschichte der Apollo 13 Weltraum-Mission.

So verrückt es klingen mag, aber das Fernsehen hatte damals keinerlei Interesse gezeigt, über den Flug zu berichten. Die Begründung: „Wer interessiert sich schon für die DRITTE bemannte Mondlandung?“ Ganz anders sah es jedoch aus, als die Mission dramatisch scheiterte und die dreiköpfige Besatzung in Lebensgefahr geriet.

Da standen sofort die Reporter im Vorgarten von Astronaut Jim Lovell (gespielt von Tom Hanks), um seine Frau zu interviewen. Die hingegen jagte sie fuchsteufelswild vom Grundstück – zu Recht! Der Film ist absolut sehenswert und inspirierend und hat mir persönlich sehr geholfen, meine Absage vom Fernsehen zu verkraften.

Wenn nicht einmal diese geplante Mondlandung spektakulär genug war um darüber zu berichten - warum sollte ich dann eingeschnappt sein? Offen gestanden, wäre mir das Ganze sowieso egal gewesen, wenn nicht meine Reichweite auf Facebook zuvor dramatisch in den Keller gegangen wäre. Wenn ich einen Beitrag auf meiner eigenen Facebook-Seite postete, so sahen es dort gerade einmal 30 bis 50 Prozent meiner rund 5000 Fans.

Um alle zu erreichen, hätte ich Werbung schalten müssen, denn Facebook ist in erster Linie eine Werbeplattform, die sich aus Werbeeinnahmen finanziert. Der Aspekt des sozialen Netzwerks ist nur ein Mittel zum Zweck. Die einzige kostenfreie Möglichkeit mehr Menschen zu erreichen, bestand darin, hin und wieder ein paar Reiseberichte in die großen Weltreise- und Radreisegruppen der Plattform zu teilen.

Dort fanden meine Beiträge regen Anklang und waren bei den Mitgliedern gern gesehen, nur einigen Admins schien ich ein Dorn im Auge zu sein. Ohne Vorwarnung wurde ich von ihnen vor die virtuelle Tür gesetzt und war somit abgeschnitten von meiner Zielgruppe.

Dadurch bekam fast niemand mehr etwas von unseren Projekten mit. Eine bittere Pille für einen Selfpublishing-Autor wie mich; doch ich war nicht allein mit diesem Schicksal. Alle möglichen Künstler wie LINKIN PARK, J. K. Rowling oder die Beatles hatten schon darunter zu leiden gehabt, dass einzelne missmutige Personen in der falschen Position es unterbanden, dass die breite Masse von ihnen erfuhr. Mein einziger Trost war, dass sich der Erfolg dieser großartigen Künstler am Ende dennoch nicht verhindern ließ, weil sie beharrlich blieben, bis sie ihr Ziel erreichten.

Die mickrige Facebook-Reichweite und die Absage vom Fernsehen, all das hätte ich locker verschmerzen können. Schließlich war mein Debüt als Selfpublisher im Internet ein voller Erfolg gewesen.

Erst als auch dort schwarze Wolken aufzogen und das Klima sich dramatisch verfinsterte, wurde mein bisher ungebrochener Mut und Optimismus auf eine harte Probe gestellt. Plötzlich war klar, dass ich auch die dritte Radtour zum Nordkap wieder mit demselben Supermarktfahrrad und ohne Geld bestreiten musste.

Das war die einzige Möglichkeit, um das 3. Jahr in Folge den Traum von der Weltreise zu leben, anstatt in ein graues Bürogebäude zurückzukehren. Abgesehen davon hatte mein geliebter Husky garantiert keine Lust allein daheim gelassen zu werden.

Warum ich nach allen gemeisterten Herausforderungen und drei veröffentlichten Büchern finanziell immer noch am Existenzminimum kratzte? Das will ich dir jetzt verraten.



SPATENVERKÄUFER UND GOLDGRÄBER

Können Sie Wahrheit und Lüge unterscheiden? Dazu müssen Sie über Ihr Denken hinausgehen und Ihren Geist dem Unglaublichen öffnen.

X-Factor: Das Unfassbare mit Jonathan Frakes

Eine nie da gewesene Überflutung des Buchmarkts mit Selbsthilfe-Ratgebern war der wahre Grund, warum ich meiner Linie zum Reisen ohne Geld treu bleiben durfte. Allein zum Gesetz der Anziehung, über das ich mein erstes Buch veröffentlicht hatte, kam seit Anfang 2018 circa alle drei Wochen ein neues Werk heraus!

Stell dir das vor: Das sind fast 20 „neue“ Bücher zum Gesetz der Anziehung pro Jahr! Dieser Überschwemmung von Lebensratgebern konnten selbst die etablierten Autoren kaum etwas entgegensetzen.

Wie es dazu kam? Konkret handelte es sich um ein neues Geschäftsmodell, das nach dem US-Markt auch Deutschland überfiel. Ich fing erst an zu begreifen, was wirklich vor sich ging, als ein ominöses Facebook-Werbevideo vor mir aufpoppte. Darin erklärte ein junger Herr im Hawaii-Hemd, mit Sonnenbrille auf der Stirn vor einem rosa Jeep in russischem Akzent verheißungsvoll:

„…was ist denn schon ein E-Book? Ein E-Book ist doch bloß eine Word-Datei! Und das Beste dabei: Du brauchst die Bücher nicht mal selbst schreiben. Du suchst dir einfach einen Ghostwriter und lässt ihn ein paar Bücher zusammenfassen. Das ist das einsteigerfreundlichste Business der Welt. Ab sofort kann jeder mit einem E-Book-Business in nur drei Monaten finanzielle Freiheit erlangen, ohne Startkapital und Vorkenntnisse!“

Allmählich sah ich hinter die Fassade. Dieser junge Herr war einer von vielen neuen Gurus, die das höchst fragwürdige Geschäftsmodell aus den USA aufgeschnappt hatten und nun in Deutschland Selfpublisher im Rekordtempo ausbildeten. Diese neuen Fake-Autoren veröffentlichten dann in einer nie da gewesenen Geschwindigkeit Selbsthilfe-Ratgeber, um damit das schnelle Geld zu machen.

Das Erfolgsrezept war einfach: Die fünf besten Bücher zu einem Thema kaufen, einen Ghostwriter beauftragen, der eine Zusammenfassung schreibt, ein ansprechendes Cover gestalten lassen und 100-200 positive Rezensionen kaufen. Das ist zwar illegal, aber für 1000-2000 Euro wird man auf diversen Portalen fündig. 

Um den verkaufsfördernden Bestsellerrang zu ergattern, werden die Fake-Ratgeber einfach in eine komplett fremde Kategorie wie Kfz-Technik, Oper oder Radsport gesteckt. Schon blinkt das orangefarbene Bestsellerbanner auf und lässt die Kundenherzen höherschlagen.

Das absolute Sahnehäubchen dieses Geschäftsmodells war jedoch die komplett erfundene Autorenbiografie, der sich die meisten Fake-Autoren bedienten. Diese wurde mit gekauften Stockfotos und einem Fake-Studium oder sogar Fake-Doktortitel abgerundet.

Damals hätte ich nicht einmal im Traum geglaubt, dass so ein Betrug möglich ist, doch es wurde die bittere Realität! Tausende von Büchern wurden mit diesem fraglichen Geschäftsmodell verkauft. Wenn positive Fake-Rezensionen nicht ausreichten, wurden zusätzlich noch die Mitbewerber mit negativen Fake-Rezensionen denunziert.

Das bekam ich am eigenen Leib zu spüren. Eine Schlammschlacht epischen Ausmaßes, bei der der Großteil der Kunden nicht mehr die wirklich guten Bücher kaufte, sondern vielmehr die schlechten, die am verheißungsvollsten präsentiert wurden. 

Warum das überhaupt so gut funktionierte? Ganz einfach: das Gesetz der Anziehung macht keinen großen Unterschied zwischen Schein und Sein. Oder um es mit den Worten von Alfred Polgar zu sagen:

Die Menschen glauben viel leichter eine Lüge, die sie schon hundertmal gehört haben, als eine Wahrheit, die ihnen völlig neu ist.

Oft reicht die perfekte Inszenierung und der Rubel rollt! Der springende Punkt ist jedoch, dass dieses fragwürdige Modell nur so lange funktioniert, bis der Markt gesättigt ist. Spätestens wenn vierzig Bücher zu einem Thema veröffentlicht sind, die alle in etwa gleich aussehen, gleich viele Rezensionen haben und dasselbe kosten, tritt die klassische Austauschbarkeitsfalle in Kraft.

Genau hier liegt der entscheidende Unterschied zwischen Goldgräbern (= Menschen, die nach finanzieller Freiheit streben) und Spatenverkäufern (= Gurus, die eine magische Wunderpille für schnellen Reichtum verkaufen).

Während die Goldgräber im blinden Goldrausch losziehen, um sich den Traum vom Leben in finanziellem Reichtum zu verwirklichen, stellen sie bald ernüchtert fest, dass außer einem Haufen Dreck und vielleicht etwas Katzengold wenig bis gar nichts von dem da ist, was ihnen versprochen wurde.

Der Spatenverkäufer aber hat längst ausgesorgt, ist mit seinem rosa Jeep über alle Berge gefahren und lässt sich jedes Jahr eine neue Wunderpille einfallen, mit dem es ihm gelingt, tausende von Spaten unters Volk zu bringen.

Was ich damit sagen will: sei achtsam, wenn dir jemand einen Spaten verkauft und prüfe gründlich, ob es wirklich eine Goldader gibt. Viele Spatenverkäufer propagieren: „Du musst einfach so lange weiter graben, bis du auf Gold stößt.“ 

Klingt logisch, ist aber Bullshit! Wenn du an einem Ort buddelst, wo es gar kein Gold gibt, kannst du weitermachen bis zum Erdkern, oder bis du ein Greis bist und bleibst trotzdem arm wie eine Kirchenmaus. In der Zwischenzeit haben die Spatenverkäufer reichlich Geld gescheffelt, ohne zu buddeln, indem sie anderen den Traum vom schnellen Reichtum verkauft haben mit Sätzen wie: 

„Die Zeiten waren noch nie so gut wie heute. Jetzt ist die beste Chance um einzusteigen. Lassen sie sich den Goldrausch nicht entgehen.“

Das Erstaunliche war: Die meisten Spatenverkäufer köderten ihre Interessenten genau mit dem, was ich lebte. Sie erzählten:

„Wenn du meinen Spaten kaufst, kannst du die Welt bereisen und wirst unabhängig und frei sein.“

All das hatte ich die letzten 2 Jahre getan – fast ohne Geld. Das verrückte jedoch war: Während die Spatenverkäufer von Freiheit sprachen, saßen die meisten von ihnen mit schwarzen Augenringen und den Nerven am Ende von morgens bis abends vor dem Computer-Monitor.

Entweder weil ihr Onlinebusiness nicht richtig lief oder weil sie sich dermaßen für teure Luxusgüter verschuldet hatten, dass sie jetzt schnell Kasse machen mussten. Das absurde daran: Wo ist der Unterschied zwischen einem Angestellten, der jeden Tag im Großraumbüro vor dem Monitor sitzt und einem Businessguru, der sich für teures Geld Geschäftsräume mietet, um dort „selbstbestimmt und frei“ von früh bis spät in die viereckige Kiste zu starren?

Da hätte ich genauso gut alles beim Alten lassen können. Deshalb blieb meine wahre Absicht nach wie vor nicht das Geld, sondern vielmehr das Leben, das ich führen würde, wenn Geld keine Rolle spielt.



SICHERHEIT ODER FREIHEIT?

Der Unterschied zwischen dem Unmöglichen und dem Möglichen liegt in der Entschlossenheit einer Person.

Tommy Lasorda

Wegen der verheerenden Zustände auf dem deutschen Buchmarkt war auch dieses Jahr die Verlockung groß, mich für „Sicherheit“ statt Freiheit zu entscheiden. Pünktlich vor der Abfahrt bekam ich ein Jobangebot, mit dem sich all meine finanziellen Probleme in Luft aufgelöst hätten. 

„Kann man es auch von unterwegs machen?“, fragte ich die Frau am Telefon und wusste eigentlich schon was die Antwort war. Die Regeln waren immer dieselben: Wenn du die Zeit x im Büro y verbringst, bekommst du den Betrag z am Monatsende auf dein Konto überwiesen. Wie gerne hätte ich mal wieder ein regelmäßiges Gehalt bekommen, nur um einmal den inneren Frieden zu verspüren, auf den ich die letzten Jahre verzichtet hatte. Doch im selben Atemzug meldete sich der freiheitsliebende Rebell in mir.

 

„Ich schiebe lieber ein 200 Kilo schweres Fahrrad bei brennender Hitze 500 Höhenmeter hoch, als eingesperrt zu sein in einem voll klimatisierten Großraumbüro“,

flüsterte die Stimme unmissverständlich in mein Ohr. Ich folgte dem Ruf. Freundlich, aber bestimmt lehnte ich das Jobangebot ab und stand wieder mit dem Rücken zur Wand.

Warum es trotzdem die richtige Entscheidung war? Weil ich auf den letzten beiden Abenteuerreisen auf eindrucksvolle Weise zu spüren bekommen hatte, wie sich wahrhaftige Lebendigkeit anfühlt. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich viel mehr gesehen, erlebt und gelernt, als in den 26 Jahren davor. Wer selbst ein Abenteurerherz hat und einmal am eigenen Leib erfahren hat, welchen Zugewinn an Lebensqualität diese Freiheit bedeutet, wird sie nicht mehr missen wollen.

Reisen war mein Überlebenselixier geworden und mein neues Lebensziel erklärte sich wie von selbst: Ich wollte bis zu meinem Lebensende mehr oder weniger die ganze Welt bereisen. Für einen Slow-Traveller waren rund 192 Länder ein hochgestecktes Ziel in Anbetracht der kurzen menschlichen Lebensspanne. Doch wenn ich fortan jedes Jahr drei Länder bereiste, würde mir das meiner Berechnung nach bis zu meinem 90. Geburtstag gelingen.

Für meinen Husky tickte die Uhr sogar noch schneller! Hunde werden in einem Jahr 7 Menschen-Jahre älter, sodass er mich bald altersmäßig überholte. Mittlerweile hatte ich ihn 12 Monate an meiner Seite und liebte ihn wie am ersten Tag.

Er war für mich viel mehr als bloß ein Hund. Er war mein treuster Begleiter und bester Freund. Sollte mein Name irgendwann in Vergessenheit geraten, so hoffte ich, dass die Geschichte vom mutigen Husky Rocky Mountain der die Welt bereiste noch viele Jahre in Erinnerung blieb.

Auf unserer letzten Reise waren wir mit gewaltigen Herausforderungen konfrontiert worden, die vor allem das Herrchen an seine Grenzen gebracht haben. Von klirrender Kälte, Regen, Hitze und prallem Sonnenschein war alles dabei.

Mit geringsten finanziellen Mitteln galt es dafür zu sorgen, dass mein Hund und ich 200 Tage am Stück gesund blieben, um es bis Schottland und zurückzuschaffen. Ich musste mir in Notlagen selbst zu helfen wissen und darauf vertrauen, dass die Welt ein guter Ort war und zur rechten Zeit Hilfe da sein würde, weil sich nicht alles planen ließ.

Doch all das war nichts verglichen zu der brachialen Tour, die uns dieses Jahr erwartete. Mit Husky ohne Geld durch Norwegen, das siebteuerste Land der Welt zu radeln, würde uns alles abverlangen. Allein die Lebensmittelpreise waren dort doppelt so teuer wie in Deutschland und auf dem Weg zum Nordkap würden mich zahlreiche Fähren erwarten, die ebenfalls ihr Geld kosteten.

Selbst mit ausreichenden finanziellen Mitteln war es bei unserer Beladung und der limitierten Reichweite von 20 Kilometern pro Tag bereits Herausforderung genug, rechtzeitig vor dem Winter das Nordkap zu erreichen. Schließlich hat Norwegen die längste Küste Europas mit dutzenden ausgefransten Fjorden und unzähligen Höhenmetern.

Wie ich darauf kam, ausgerechnet zum Nordkap zu radeln? Mein Herz hat es mir zugeflüstert. Vielleicht war es aber auch der Wunsch, einmal im Leben einen Kaffee am Rande der Welt zu trinken. Welche Geheimnisse, Weisheiten und Wunder würde dieser sagenumwobene Ort tatsächlich für mich bereithalten?

Möglicherweise würde ich ja sogar etwas Neues über den Sinn des Lebens erfahren. Während in mir eine unbändige Neugier und Abenteuerlust erwachten, gab Rocky sich vollkommen unbeeindruckt. Für ihn zählte nur, dass es angenehm kühl war im Sommer und dass er genügend Auslauf mit seinem Herrchen hatte, dann war er glücklich. Daher waren wir uns absolut einig, dass es sinnvoll war, gemeinsam den hohen Norden zu erkunden.



MIT ALTEM GAUL AUFS NEUE ABENTEUER

Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.

Laotse

Der sympathischen Moderatorin Isabel von Regio-TV war es zu verdanken, dass Rocky und ich vor der Reise doch noch im Fernsehen zu sehen waren. Die stets gut gelaunte Frau war eine Unterstützerin der ersten Stunde und ist mittlerweile eine gute Freundin geworden.

In mindestens 5 Interviews hat sie uns schon herzlich willkommen geheißen. Es war eine wundervolle Erfahrung, dass die Positiv-Schlagzeilen somit auch diesmal Beachtung fanden. Alles, was es dafür brauchte, war ein Platz im Herzen bei der richtigen Person. Danke Isabel!

Vor dem Tourstart ging alles drunter und drüber. Die Zielsetzung, ein 2 Jahre altes, ramponiertes Supermarkt-Fahrrad fit zu bekommen für eine Reise zum Rande der Welt, das war etwas worüber, andere nur den Kopf geschüttelt hätten. Doch die prekäre Lage in der Reisekasse verlangte es mir ab, aus der Not eine Tugend zu machen.

An der Felge vom Vorderrad baumelte eine Speiche lose herum. Die Reifen vom Hunde-Anhänger waren bis auf den letzten Millimeter abgefahren und nachdem die Schweißnähte von Rockys fahrbarem Untersatz auf der letzten Reise gebrochen waren, hielt ihn nur noch ein Holzrahmen zusammen, den ich in Irland mit dem Taschenmesser und unzähligen Kabelbindern konstruiert hatte.

Auch wenn dieses rostige Gespann mit der von der Sonne verblichenen roten Außenwand nicht sonderlich vertrauenswürdig erschien, so war es doch stabiler als ein neues Hundetaxi derselben Preisklasse, mal abgesehen von einem unübersehbaren Achter im linken Rad. Mit meinen letzten Ersparnissen kaufte ich zwei Reifen, eine Vorderradfelge mit Nabendynamo und ein billiges Zelt, um das Beste aus diesem gewagten Low-Budget-Setup herauszuholen.

 

Die Zeit verging wie im Flug und der 31.3. (mein traditionelles jährliches Startdatum) rückte immer näher. Draußen im Garten werkelte ich wie Daniel Düsentrieb, um dieses bizarre Gefährt rechtzeitig fahrtüchtig zu bekommen. Rocky leistete mir Gesellschaft und schaute wie immer seelenruhig zu.

Mit einem Speichenschlüssel und einigen geübten Griffen zog ich die Speichen des Anhängerrads an, bis der Achter herausgedreht war. Stolz und zufrieden mit meiner Arbeit legte ich mich am Abend vor der Reise ins Bett. Während Rocky sich tiefenentspannt zu einer Schneckennudel zusammengerollt ans Fußende kuschelte, überkam mich das Lampenfieber.

Ein letztes Mal auf einer Matratze schlafen, dann würde ich mich wieder für Monate lossagen vom Luxus der zivilisierten Welt und eintauchen in ein nie da gewesenes Abenteuer.

Gut gelaunt streckte ich mich am nächsten Morgen und schlenderte mit einer Tasse Kaffee zum Vorgarten, um mein Fahrrad in Augenschein zu nehmen. Dann der Schock: Der Reifen vom Anhänger war plötzlich platt! In Windeseile holte ich Werkzeug, zog den Reifen ab und fand die Ursache: Die Speichen waren durch das gestrige Anziehen auf der Innenseite der Felge durchgekommen, hatten das Felgenband durchbohrt und dann den Schlauch durchlöchert.

Na super! Ich musste also noch einmal ran! Mit der Metallfeile feilte ich die herausstehenden Enden ab und überklebte die Felge innen großzügig mit Panzertape. Dann flickte ich den Schlauch – diesmal blieb er dicht. Anschließend dauerte es Stunden, bis ich mein Fahrrad fertig beladen hatte. 

Während der Prozedur roch auch Rocky so langsam Lunte und begriff, was hier im Gange war. Halb jaulend, halb bellend versuchte er mir begreiflich zu machen, dass ich nicht einmal im Traum daran denken sollte, ihn allein zurückzulassen. Meine Mutter konnte nur schmunzeln, zumindest bis sie sah, wie übertrieben viel Gepäck ich mal wieder aufgesattelt hatte.

Auch dieses Mal wurde ihr ganz anders, als sie mich mit einer herzlichen Umarmung in die weite Welt entließ. Alles was ihr blieb, war darauf zu vertrauen, dass ihr Jungspund in den letzten 2 Jahren genügend „Berufserfahrung“ gesammelt hatte, um solch ein Abenteuer erfolgreich zu bestehen und wohlbehalten zurück nach Hause zu kommen.

Es war ein herrliches Gefühl, mich wieder in den Sattel zu schwingen, wenngleich die exorbitante Beladung am Anfang sehr ungewohnt war. Wie schon das Jahr davor fuhr ich ohne einen Cent los, doch dafür mit genügend Proviant und Hundefutter für eine Woche. Außerdem ließ ich es mir nicht nehmen, zum Startschuss der Tour in alter Tradition einige Freunde zu besuchen.

Um das Budget für die Reise zusammen zu bekommen, war - wie die Jahre zuvor - Pfand sammeln und Gitarre spielen angesagt. Doch würde das ausreichen, um die Fährfahrten und Fahrradreparaturen zu bezahlen und mich in Norwegen zu behaupten, wo die Lebensmittel doppelt so teuer waren? Da wollte ich jetzt lieber gar nicht dran denken. Eines war jedoch sicher:

Dieses Jahr hatte ich mir eine richtig sportliche Herausforderung ausgesucht! Allein um nach Norwegen zu gelangen, stand mir eine halbe Deutschland-Tour mit dem Fahrrad bevor. Während der Reise musste ich nicht nur die epische Distanz von 3000 Kilometer bis zum Nordkap rocken, sondern gleichzeitig meinen Kontostand. Das war viel mehr als nur ein Projekt.

Es ging um alles oder nichts! Lediglich eine Sache war klar: Das Losfahren war das Wichtigste, denn sonst hätten mich bald die Ängste und Unsicherheiten in die Knie gezwungen. Sobald ich auf dem Rad saß, musste ich einen Weg finden, um den Traum Wirklichkeit werden zu lassen.

Am ersten Tag folgte ich der Rems entlang nach Fellbach, wo ich meinen Freund Peter besuchte. Dieser treue Herzmensch hat mich schon viele Jahre durch dick und dünn begleitet, sodass unser gemeinsames letztes Abendmahl bei jeder Tour zur Pflicht gehörte.

Das Wetter am nächsten Morgen war angenehm warm und Peter war es eine Herzensangelegenheit, mir noch 5 Euro mit auf den Weg zu geben. Mit einer herzlichen Umarmung verabschiedeten wir uns voneinander. Dann, nur wenige hundert Meter weiter vor einem Einkaufsladen, erspähte eine liebenswerte Oma meine Fellnase Rocky und war ganz entzückt.

„Ach du meine Güte, das ist ja ein hübsches Tier“, schwärmte sie. Kaum hatte ich von unserem gewagten Vorhaben berichtet, erhöhte sie das Guthaben in der Reisekasse um weitere 5 Euro.

Ein verdammt guter Tourstart, der mir Mut machte, dass ich es trotz der verheerenden Lage auf dem Buchmarkt mit Rocky zum Nordkap schaffen konnte. Es schien gar so, als würde das verlorene Geld durch die zurückgegangenen Buchverkäufe nun auf anderem Wege zu uns finden.

Auf dem Remstal-Radweg Richtung Schorndorf herrschte greller Sonnenschein, doch dank Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor fünfzig, sowie einer nagelneuen Sonnenbrille war ich tipptopp vorbereitet, sodass mir ein schmerzhafter Sonnenbrand auf den Augen, wie letztes Jahr, erspart bleiben würde.


 

LEBENSROCKER TRIFFT SHAOLIN

Du musst bereit sein die Dinge zu tun, die andere niemals tun werden, um die Dinge zu haben, die andere niemals haben werden.

Les Brown

In Schorndorf war ich verabredet mit Qi Lu, einem waschechten Shaolin Mönch aus China. Vor einigen Jahren war ich einer seiner Schüler gewesen und seitdem verbanden uns Freundschaft, Lebensmut und Kämpfergeist. Mit einem strahlenden Lächeln und den Worten „O Mi to Fo“, begrüßte mich der kahlköpfige Shaolin in seinem gelben Gewand und winkte mich höflich zur Türe seines Shaolin-Tempels herein. 

Die Redewendung findet unter Buddhisten häufig Verwendung und bedeutet so viel wie „möge Buddha uns beschützen.“ Glück- und Segenswünsche konnten Rocky und ich auf unserer Reise immer gut gebrauchen, egal von welcher Religion oder Weltanschauung.

Ich faltete die Hände und verneigte mich, dann zog ich meine Schuhe aus und betrat den Shaolin-Tempel. Der Duft von Weihrauchstäbchen lag in der Luft und an den Wänden hingen einige Fotos, auf denen neben vielen anderen Schülern auch ich selbst zu sehen war.

Alte Erinnerungen erwachten in mir. Ich dachte zurück an meine Zeit im Training und welch positiven Einfluss die körperlichen Strapazen auf meine Psyche gehabt hatten. Bevor der eigentliche Kung Fu Unterricht begonnen hatte, war ich zusammen mit anderen Schülern einen Hügel im Wald hoch gejoggt, um mich aufzuwärmen.

Anschließend hatten wir uns ausgiebig gedehnt und dann waren wir von Lu mit Kampfsportübungen, Liegestützen, Sit-ups und Kniebeugen gnadenlos in die Mangel genommen worden. Es war ein Hardcore-Workout gewesen, bei dem die Pfunde in Rekordgeschwindigkeit geschmolzen waren und der Körper innerhalb weniger Wochen Topform angenommen hatte. 

Immer wenn das Training mich an meine Grenzen gebracht hatte, war der Alltag verstummt und ich hatte mich selbst richtig spüren können. In diesen magischen Momenten reinen Gewahrseins war ich von einer tiefen Dankbarkeit und Herzenswärme erfüllt gewesen.

 

Augenblicke wie diese kannte ich sonst nur vom Gitarre spielen, meditieren und dem Reisen. Oft folgte das Glücksgefühl dort unmittelbar auf eine Kraftanstrengung, z. B. wenn Rocky und ich einen Hügel bezwungen hatten und ich schweißgebadet auf dem Gipfel in die Hocke ging, um ihm den Wassernapf zu reichen.

Das Szenario war immer gleich: Ich stellte ihm seine Wasserschale vor die Nase, strich ihm über das flauschige Fell und während er seinen Durst stillte und die warmen Sonnenstrahlen auf meinen Rücken fielen, überkam mich eine tiefe Glückseligkeit.

 

Als ich Lu erzählte, dass ich mich eines Tages zum Shaolin ausbilden lassen will, antwortete er nur: „Brauchst du nicht. Das, was du machst, ist der beste Beweis.“ 

Wow, ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber dass ein chinesischer Shaolin-Mönch, der 8 Jahre im Kloster verbracht hatte, einmal so etwas zu mir sagen würde, das verschlug selbst mir die Sprache. Sich der Angst vor der unsicheren Existenz zu stellen, gehört Lus Meinung nach zu den höchsten Tugenden. Das spiegelte auch sein Weg wider, denn als er von China nach Deutschland gekommen war, hatte er nichts besessen außer dem Traum einen eigenen Shaolin Tempel ins Leben zu rufen. Eine Wohnung hatte er sich damals nicht leisten können, weshalb er direkt im Tempel auf einer harten Tischplatte geschlafen hatte. 

Heute hatte sich seine Beharrlichkeit ausgezahlt. Im Shaolin-Tempel war Leben eingekehrt und zahlreiche Schüler besuchten seinen Kung Fu Unterricht. Darüber hinaus hatte er jetzt eine wundervolle Familie mit der Frau, die er liebte.

Ein Beweis dafür, wie man trotz schwieriger Startbedingungen mit Kämpfergeist und Selbstvertrauen zum Ziel kommt. Was das anbelangte, hatten wir in der Tat sehr viel gemeinsam und in einer Sache waren wir uns einig:

 

Wenn wir uns unseren Ängsten stellen, offenbart sich uns eine Welt grenzenloser Möglichkeiten.

 

Und:

 

Wer aus jeder Krise gestärkt hervorgeht und sich nicht geschlagen gibt, wird dadurch zwangsläufig erfolgreich.

Nachdem Lu mich einigen seiner Schüler vorgestellt hatte und Rocky einen Stepptanz auf dem Parkettboden des Shaolin-Tempels aufgeführt hatte, gingen wir zu dritt in die Stadt. Lu kannte ein gutes China-Restaurant in der Nähe des Marktplatzes und ich war eingeladen. Das ließ mein Herz höherschlagen, denn ich konnte mich gar nicht erinnern, wann ich das letzte Mal chinesisch Essen gewesen war.

Rocky machte es sich unter dem Tisch bequem, während wir gemütlich Tee tranken und die Bedienung Ente mit Reis servierte. Den krönenden Abschluss unseres Festmahls stellten zweifelsohne die Glückskekse dar. Das sind Kekse, in denen ein kleiner Zettel mit einer Lebensweisheit versteckt ist. Neugierig knabberte ich den Teigmantel auf, um an die geheime Botschaft zu gelangen. Dann musste ich schmunzeln. Dort stand:

Es geht bergauf! –

Vertraue deinem Instinkt!

So banal die Weisheiten von Glückskeksen auch sein mögen; für mich war dies eine klare Botschaft des Universums. Auch wenn sie für mich als Radfahrer eindeutig zweideutig verstanden werden konnte. Ging es mit meinem Leben bergauf? Oder erwarteten mich einfach nur halsbrecherisch viele Höhenmeter?

Auf dem Rückweg zum Shaolin-Tempel bestand Lu darauf, mit Rocky Gassi gehen zu dürfen, also überreichte ich ihm die Leine. Prompt lief mein Vierbeiner zu Höchstform auf und brillierte mit seinen abrupten Bocksprüngen. Da hatte selbst Lu Schwierigkeiten, ihn zu bändigen. Erstaunt sah er mich an, beeindruckt davon, welche unbändige Kraft meinem sibirischen Schlittenhund innewohnte.

Zurück am Shaolin-Tempel angekommen, schenkte Lu mir einen alten Wanderrucksack, den er von seiner letzten China-Reise übrighatte. So konnte ich, wenn ich wollte, auch mal das Fahrrad stehen lassen und mit Rocky einen kleinen Ausflug in die Berge Norwegens unternehmen – vorausgesetzt natürlich, ich würde so weit kommen. 

Als es draußen dunkel wurde und Lu sich verabschiedet hatte, stapelte ich einige Yogamatten im Shaolin-Tempel aufeinander und breitete meinen Schlafsack darauf aus. Kaum hatte ich mich hingelegt, kuschelte sich Rocky mit einem genüsslichen Brummen nebendran. Wenn ich zurückdachte an Lus anfängliche Zeit, wo er auf einer harten Tischplatte genächtigt hatte, dann war das hier ein überaus bequemes Nachtlager.

Nach dem Aufwachen spürte ich einen leichten Muskelkater. Ich ließ Schorndorf hinter mir und nahm Kurs auf eine Grillstelle auf dem Sörenberg. Die Bewegung tat Rocky und mir unendlich gut, genauso wie die Sonne und die frische Luft. Den Sörenberg zu erklimmen, kostete einiges an Anstrengung, doch wurde dafür mit einer fantastischen Aussicht auf die umliegenden Weinberge belohnt. Inspiriert von Lus kahl geschorenem Kopf, fasste ich den Entschluss, mir ebenfalls die Haare kurz zu rasieren.

Weniger um mich wie ein Shaolin zu fühlen, sondern vielmehr, weil meine Haarpracht auf dem Hinterkopf langsam, aber sicher lichter wurde. Also fummelte ich den Langhaar-Schneider aus meiner Satteltasche und verpasste mir eine Shaolin-Frisur. Wenn man die Haare verliert, kratzt das oft am Selbstvertrauen, aber ich konnte mich damit ganz gut abfinden, da ich die meiste Zeit meine schicke LEBENSROCKER-Schildmütze oder einen Helm trug.

Das neue Zweimannzelt bot genügend Platz für Rocky und mich und wurde gleich in der ersten Nacht im Freien gebührend mit heftigem Dauerregen und kühlen 5 Grad eingeweiht.

„Mist, ich habe mein Baumwoll-Inlay vergessen“, fluchte ich, als ich im Schlafsack lag und der Regen unaufhörlich auf das Zeltdach trommelte. Bibbernd und mit kalten Füßen kuschelte ich mich eng an den wärmespendenden sibirischen Schlittenhund.

Rocky schlummerte friedlich. Er war froh, dass sein Herrchen ihn mit auf dieses neue Abenteuer nahm und für kalte und nasse Witterungsverhältnisse war er mit seinem Universalwettermantel bestens ausgerüstet. 

Nach den üblichen alljährlichen Startschwierigkeiten entschied ich, sobald die wärmenden Sonnenstrahlen des nächsten Tages die Regentropfen auf dem Zelt getrocknet hatten, meiner Mutter einen spontanen Besuch abzustatten, um die fehlende Ausrüstung abzuholen. Meine Mama musste schmunzeln, als ihr Abenteurer-Sohn mit Husky plötzlich wieder vor der Haustür stand. 

„Schau mal, ich habe Ostereier mitgebracht, die hat mir vorher ein Landwirt geschenkt“, sagte ich und stellte zwei Eierkartons auf den Esstisch. Es war schön, den Abschied etwas hinauszuzögern, schließlich würde ich dieses Jahr so weit wie nie zuvor von der Heimat entfernt sein.

Nach einer letzten Umarmung schwang ich mich in den Sattel, um nach Steinheim an der Murr zu radeln. Dort begegnete mir am Neckar ein junger Mann und fragte interessiert, was es mit unserem sonderbaren Gespann auf sich hatte. Gleich fing Rocky an, es mit seinem kommunikativen „Wau, wauuuh, wow, wauuh“ zu schildern. Der Herr musste lachen. 

„Pass auf, ich arbeite dort drüben bei der Metzgerei und würde dir gerne eine Portion Maultaschen mit auf deine Reise geben. Wäre das was für dich?“ Über das ganze Gesicht strahlend willigte ich ein. Für mich als Schwabe bedeutete es eine große Freude, ein letztes Mal in den Genuss dieser heimischen Delikatesse zu kommen. 

In Steinheim an der Murr wartete Sandra mit ihrer Tochter Nalani auf mich. Gemeinsam waren die beiden 2017 eine Woche auf der Radtour ohne Geld durch Deutschland mit mir unterwegs gewesen. Seitdem waren wir in Kontakt geblieben und hatten uns hin und wieder geschrieben.

Mit einem strahlenden Lächeln winkte mich das junge Mädchen, deren wilde schwarze Haarpracht in alle Richtungen stand, zur Tür herein. Kaum hatte ich die Wohnung betreten, knallten dicke Hagelkörner aufs Dachfenster in der Küche. 

Da war ich froh, einen warmen und trockenen Platz bei guten Freunden zu haben. Ein Blick auf das Wetter für die kommenden Tage verriet mir, dass die kühlen Temperaturen des Nordens direkt auf mich zuhielten. 3 Tage mit 3 Grad in der Nacht waren schon in der Vorstellung wenig erbaulich.

Zwar hatte ich neben zwei in die Jahre gekommenen Sommerschlafsäcken nun auch mein Baumwoll-Inlay dabei, doch mit einem qualitativen Winterschlafsack konnte diese Flickschusterei freilich nicht mithalten. Die ausbaufähige Ausrüstung gehörte zu den Schattenseiten meines Low-Cost-Lebensstils. Dafür genoss ich es umso mehr, bei herzlichen Menschen wie Lu oder Sandra zu Gast sein zu dürfen.

Während Sandra ein dekadentes afrikanisches Abendessen zauberte, schwelgten wir in alten Erinnerungen. Nalani hatte unser gemeinsames Abenteuer nie vergessen und auch ich konnte mich gut daran erinnern, wie aufmerksam das junge Mädchen gewesen war, als ich einen Campingkocher aus alten Konservendosen gebaut hatte.

In Windeseile hatte sie jeden Handgriff verinnerlicht und ihren eigenen konstruiert. Bereits damals war mir klar, dass in ihr ein Genie und eine Abenteurerin zugleich steckten, denn sie war die ganze Reise überaus tapfer gewesen und hatte sich nicht einmal beklagt.

Im Gegenteil: Die Dreckspritzer in ihrem Gesicht hatten sie sogar mit Stolz erfüllt. Eine der schönsten Erinnerungen war zweifelsohne, dass sie das erste Kind war, das ich mit einer Gute-Nacht-Geschichte ins Bett gebracht hatte.

Heute hatte sie eine Glücksbringer-Halskette aus einem Stück Lehm für mich gebastelt.

„Damit du gut am Nordkap ankommst“, sagte sie. 

Das berührte mein Herz. 

„Dankeschön, das hast du toll gemacht“, erwiderte ich und schloss Nalani in meine Arme. 

Am nächsten Morgen übergab mir Sandra eine Provianttüte mit selbst gemachten schmackhaften Chicken-Wraps und einem 10 Euro Schein. 

„Komm heil wieder nach Hause, versprich mir das, okay?“, verabschiedete sie sich.

„Klar, ich habe ja jetzt einen Glücksbringer von Nalani, der wird mich beschützen“, erwiderte ich und zeigte ihr die Kette, die um meinen Hals hing.

Nalanis Talisman funktionierte fabelhaft! Ich war kaum 2 Kilometer geradelt, da schenkte mir eine Spaziergängerin zwei Äpfel und etwas Kleingeld. 

„Ich traue mich ja nicht einmal mit meinem Fahrrad nach Stuttgart zu fahren“, sagte die Frau, „da habe ich größten Respekt, wenn sie zum Nordkap wollen.“ 

Verblüfft und dankbar zugleich, nahm ich die Geschenke entgegen und folgte anschließend bei eisigen Temperaturen dem Fluss Bottwar entlang der ruhigen Radstrecke durch die gemächlich erwachende Natur.

 





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