Ich bin sehr gespannt, ob wir über meinen Gast heute in der „Landesschau“ später sagen werden: Was für ein irrer Typ! Nach einem persönlichen Tief im letzten Jahr hat er einfach Job und Wohnung gekündigt und sich auf eine verrückte Reise gemacht. 6500 Kilometer mit dem Fahrrad quer durch Deutschland: Der Stuttgarter Florian Bassfeld war 250 Tage unterwegs – bei Wind und Wetter, ohne Geld, mit einem Fahrrad und nur dem Nötigsten im Gepäck. Übernachtung umsonst und draußen, auch an ganz ungewöhnlichen Orten. Und die Natur? Die war auch schon mal sein Badezimmer.
Jetzt ist er bei uns in der „Landesschau“. Herzlich willkommen! Hallo, fast ein bisschen langweilig bei uns – es ist so warm und trocken, oder?
Ja, das ist wirklich so gewesen, ohne Schmuh, weil ich meinen Zahlen trauen kann.
250 Tage draußen – ohne festen Wohnsitz, ohne Geld in der Tasche?
Ja, also ich bin von Stuttgart aus mit null Euro losgefahren. Und das war dann so, dass Deutschland einfach viel gastfreundlicher war, als ich es überhaupt erwartet habe. Ich dachte am Anfang, ich erfahre gar keine Unterstützung und schlage mich mühevoll irgendwie mit Pfandsammeln durch. Hatte dann, nachdem ich das bei Facebook veröffentlicht hatte, nach zwei Tagen 100 Übernachtungsangebote aus ganz Deutschland! Und so war es bis zum Ende der Reise – über 300. Dadurch hatte ich eben jeden dritten oder vierten Tag mal eine Unterkunft bei netten Leuten.
Ich würde ganz gerne – wobei ich das schon erstaunlich finde – noch mal kurz zurückspulen zur Motivation. Es ist nicht so, dass Sie losgeradelt sind, weil Sie für den guten Zweck Spenden sammeln wollten, oder? Sondern das war schon Ihr persönliches Ding. Warum sind Sie los – und vor allen Dingen ohne was?
Das hat sich über die Jahre sehr langsam aufgebaut. Ich habe einfach immer auf eine bessere Zukunft hingearbeitet und gesagt: „Wenn ich mal viel Geld habe, dann lebe ich so, wie ich möchte.“ Aber das ist dann nicht passiert. Ich habe eine Kfz-Ausbildung gemacht, ein Maschinenbaustudium absolviert, war dann zwei Jahre in Leiharbeit – und hatte ein Burnout. Ich konnte einfach nicht mehr.
Sie sind jung. Sie sind fit. Und Sie erzählen mir, dass Sie einen Burnout hatten?
Ja, ich glaube es manchmal selber kaum. Ich habe dann nur eine unbezahlte Auszeit genommen, und in diesem Jahr ist sehr viel passiert: Ich habe fast mein ganzes Erspartes verloren, mich von meiner Freundin getrennt, und meine Mutter hatte einen schweren Unfall. Irgendwann habe ich gemerkt: Ich kann nicht mehr. Ich muss jetzt das machen, was mich glücklich macht. Da habe ich überlegt: „Was würde ich tun, wenn ich viel Geld hätte?“ Die Antwort war klar: Weltreise. Und dann kam die zweite Frage: „Wovor habe ich am meisten Angst?“ Das war ebenfalls klar: kein Geld mehr zu haben. Also habe ich gesagt: „Gut, dann radle ich mal ohne Geld durch Deutschland und schaue, wie ich klarkomme.“
Ich wiederhole das noch mal für mich: Sie waren „auf gut Deutsch“ durch, haben das gemacht, was viele Menschen machen würden – eine Therapie oder ins Kloster gehen –, aber Sie haben sich Ihrer größten Angst gestellt: dem Pleitegeier?
Genau. Und dann kam die Geschichte, dass es, obwohl sehr naiv angegangen, alles durchaus positiv verlaufen ist. Ich sitze hier, strahle, und ich hatte eine großartige Zeit.
2017 war das beste Jahr meines Lebens, und ich habe mich wirklich nicht groß vorbereitet. Das waren zwei Wochen Zeit: Ich hatte ein Fahrrad von einem Lebensmitteldiscounter, habe einfach meinen Rollkoffer hintendrauf geschnallt und bin ohne Regenkleidung los. Ich dachte, es wird jetzt warm. Und dann kam tatsächlich noch einmal der Winter – es war früher im März. Da gab es nochmal einen späten Kälteeinbruch. Es war richtig hart, aber ich habe gelebt, und ich war glücklich. Obwohl es sehr hart war, muss ich sagen: Ich habe ohne Geld eigentlich wie ein Millionär gelebt.
Sie haben es gesagt: Sie haben sich von der Freundin getrennt. Trotzdem gibt es natürlich ein persönliches Umfeld – Freunde, Familie. Auch die haben, wie gesagt, der „Früheren“ geraten, abzuwarten?
Ja, am Anfang schon, klar. Also ich habe vorher noch ein relativ hochbezahltes Jobangebot abgelehnt, bevor ich losgefahren bin. Ich habe abgesagt: "Ich radele jetzt ohne Geld durch Deutschland." Am Anfang dachten alle, ich hätte nicht mehr alle Latten am Zaun. Über die Reise hinweg hat sich das aber verändert. Sie haben es dann bewundert, gefeiert, unterstützt und fanden es toll.
Sie haben auch schon erwähnt: Facebook und die sozialen Medien spielen bei so einer Aktion eine wichtige Rolle. Sie haben gesagt: „Ich poste das mal.“ Das haben dann viele Leute mitbekommen, und Sie haben Angebote bekommen – nach dem Motto: „Komm auch bei uns vorbei.“ Aber Sie haben Ihre Route trotzdem nicht danach gewählt, wo Übernachtungsmöglichkeiten waren?
Genau. Ich bin trotzdem aufs Ungewisse los. Ich habe zwar meine Route auf Facebook gepostet, aber die war nicht klar nach Deutschlands schönsten Urlaubstraßen geplant. Im Süden ging es dann los – irgendwie Stuttgart, dann erst mal links rüber nach Rheinfelden (Möhlin) in der Schweiz und dann wirklich quer rüber, hier vorbei bis Salzburg und dann hoch in den Norden bis Flensburg.
Heidewitzka, Herr Kapitän! Was sind so Erinnerungen, wo Sie sagen: Das war so eine Begegnung, die war wirklich der Kracher?
Zum Beispiel unten rechts am Königssee in Bayern. Da habe ich auf einer öffentlichen Bühne neben meinem Rad übernachtet. Ich hatte große Angst, dass das Ordnungsamt oder die Polizei kommt. Und die Bayern – da hatte ich schon Respekt vor. Aber dann kamen zwei ältere Damen vorbei. Sie fragten: „Übernachten Sie hier?“ Ich sagte: „Ja.“ Und dann meinten sie: "Wie toll!" Sie drückten mir 20 Euro in die Hand. Ich dachte nur: „Was ist jetzt los?“ Später kamen sie nochmal vorbei, fragten: "Ist das hier die Bühne?" Ich meinte: „Ja.“ Dann wollten sie, dass ich etwas vorspiele. Ich hatte eine kleine Gitarre dabei, spielte ein bisschen, und das fanden sie total klasse.
Abends wollte ich gerade in meinen Schlafsack kriechen, da klopfte es am Fenster. Eine ältere Dame fragte: „Entschuldigung, brauchen Sie vielleicht noch eine Decke?“ Ich dachte: „Ich glaube, ich träume.“ Es war warm genug, aber am nächsten Morgen stand sie wieder da, sagte: „Guten Morgen! Ich bringe Ihnen Frühstück. Wollen Sie noch einen Kaffee?“ Ich muss sagen, Bayern war ein echtes Highlight.
Das klingt fast wie eine Empfehlung, nach Bayern zu gehen! Aber Sie sagten insgesamt, die Deutschen seien netter und gastfreundlicher, als Sie das befürchtet hatten?
Ja, das ist eine unglaubliche Erkenntnis gewesen. Und für die Kids zu Hause: Ich habe gelernt, eine Sache muss man immer können – Gitarre spielen. Damit kann man sich durchs Leben schlagen.
Ich möchte noch auf ein Foto schauen. Dabei sehen wir, dass Sie in dieser Hütte hier übernachtet haben – in einer Steinzeithütte!
Das war ein ganz tolles Erlebnis. Ich wurde von einem Museumsleiter eingeladen. Dort durfte ich in diesem steinzeitlichen Dorf übernachten, wie ein Steinzeitmensch auf Fellen schlafen und auch so essen wie in der Steinzeit. Es war eine unvergessliche Zeit. Florian Bassfeld strahlt, ist glücklich und zufrieden.
Was ist Ihr nächster großer Plan?
Der Plan ist, Großbritannien ebenfalls ohne Geld zu bereisen. Und der ganz große Traum? Natürlich die Weltumrundung ohne Geld!
Vielen Dank für den Besuch, Florian Bassfeld! Wir wünschen Ihnen beste Gesundheit und hoffentlich bis bald!
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